When the silent song rises: Beverly D. Renekouzou, Exocé Kasongo, Melody Howse, Thomias Radin, Selassie and Elihu Ashong

27 April - 10 Juni 2023 Berlin

WHEN THE SILENT SONG RISES ist eine Gruppenausstellung mit Werken und Performances von Beverly D. Renekouzou, Exocé Kassongo, Melody Howse, Thomias Radin, Selassie und Elihu Ashong. Die Eröffnung findet am 27.04. in der ARTCO Galerie Berlin statt. 

 

Da alle teilnehmenden Künstler*innen auch einen Hintergrund in Musik und/oder Tanz haben, wird neben Malerei und Videoarbeiten auch eine gemeinsame Performance aufgeführt. Geplant ist zeitgenössischem Ausdruck, der zu einer spiritueller Erfahrung animiert. 

 

Die Ausstellung baut auf dem kuratorischen Konzept von Beverly Renekouzou und ihrer jüngsten Werkserie "Honorer le sacrifice" auf. Die großformatigen Gemälde hat die in Berlin lebende Malerin im Jahr 2022 begonnen. Sie sind eine Hommage an Generationen von Menschen, die auf dem afrikanischen Kontinent lebten - oder ihn verließen - um durch harte Arbeit, frustrierende Integrationserfahrungen und andere Opfer zum wirtschaftlichen Wachstum Europas beizutragen. „Sie verdienen mehr Sichtbarkeit und Beachtung als alle anderen europäischen Bürger", erklärt die Künstlerin. 

 

Die Serie kreist dabei ebenso um persönliche Erfahrungen von Renekouzou, die - in Frankreich geboren und von 2011 bis 2013 in der Zentralafrikanischen Republik lebend - im April 2013 vor dem ausbrechenden Bürgerkrieg fliehen musste. In einem ihrer Werke stellt sie diese besondere Szene ihrer Ankunft in Frankreich dar. Wir sehen die junge Beverly im Alter von fünfzehn Jahren, wie sie die Hand ihres kleinen Bruders hält. Ihre Stiefmutter trägt das europäische Sternenbanner auf dem Kopf. Der Nimbus, der auf das Ölgemälde gesprüht ist, könnte ein Hinweis auf eine goldene Zukunft "vor dem blauen Himmel der westlichen Welt" sein (wie der Europarat mitteilt). Er kann in diesem politischen Kontext aber auch als Dornenkrone oder als ikonographische Darstellung der Jungfrau der Apokalypse gelesen werden. Indem Renekouzou diese individuellen Erfahrungen durch ihren expressiven Malstil wieder aufgreift, öffnet sie auch ein Tor zu altem Wissen und spirituellen Erfahrungen, die zu lange verschüttet waren: „Mit diesen Gemälden möchte ich die Stimmen von verstorbenen Verwandten und die kraftvolle Wahrheit, die darin liegt, wiedergeben", erklärt sie. 

 

In einer Videoarbeit von Melody Howse können die Besuchenden der Ausstellung Renekouzou und ihren Künstlerkollegen Exocé Kasongo bei einer spontanen Tanzperformance auf den Straßen Berlins beobachten. Das Video zeigt Filmmaterial von der Black-Lives-Matter-Demonstration 2021 in Berlin und verbindet eine Klanglandschaft aus Demo-Sounds mit Geräuschen aus der afrikanischen Diaspora. Diese Arhythmie verstärkt den Mimik und Bewegungen der Tanzenden und betont das Moment der politischen Verweigerung und der Freude an der Demo. Ein audiovisuelles Erlebnis, das an Arthur Jafa’s berühmte Black Visual Intonation erinnert, wonach grenzenlosen Kapazitäten des Schwarzen Lebens betont und jegliche Form von Rassismus abgelehnt werden.

 

Thomias Radin’s Arbeiten sind Geflechte aus persönlichen Erfahrungen, Karibischen Seefahrer-Mythen und politischen Motiven, die seinen Geburtsort Guadeloupe (1993) mit seiner späteren Wahlheimat Frankreich verbinden. Seit 2019 lebt er in Berlin, wo er sich unter anderem durch eine Solo-Ausstellung bei SAVVY Contemporary einen Namen machte. Noch in diesem Jahr werden Ausstellungen im KINDL - Zentrum für Zeitgenössische Kunst sowie in der Galerie Wedding folgen.

 

Radin’s neuere Öl-Bilder erscheinen wie transgenerationale Psychogramme. Die Figuren sind immer noch in dynamischer Pose gezeichnet, tanzen über die Leinwand, aber verschwinden nun unter kräftigen Farbflächen, so als entschwinden sie in eine andere Zeit oder Spähre. In dem spontanen Duktus werden Radin’s musikalische Einflüsse und sein Hintergrund als Tänzer sichtbar, den er als ganzheitlichen Schaffensprozess begreift und immer wieder durch performative Komponenten zum Ausdruck bringt:

 

“Ich male wie ich tanze. Ich bewege und fühle mich mit einer intuitiven Freiheit des Ausdrucks und benutze mehrere Körpersprachen, um mit der Musik der Malerei in Einklang zu sein."


Ergänzt wird die Präsentation seiner Werke durch eine bemalte Trommel aus Eichenholz, die auch funktional die Möglichkeit bietet, sich über Rhythmus und Ekstase in einen anderen Bewusstseinszustand zu versetzen.

Der Deutsch-Ghanaische Künstler Selassie arbeitet mit weit greifenden, physischen Gesten, bei denen er auf seine Intuition vertraut. Im besten Falle stellt der Farbauftrag einen unmittelbaren Zugang zu den Geistern seiner Vergangenheit her. Aufgewachsen in Ghana als Teil einer Familie, die der Völkergruppe der Ewe zugehört, spielen die repräsentativen Kräfte von Symbolen, Ikonografien und figurativen Darstellungen eine große Rolle. Im Einklang mit der Natur sollen sie die fehlende Verbindung zu einer universellen Weisheit herstellen, die in unseren Kulturkreisen abhanden gekommen scheint.

 

Selassie begreift sich vor diesem Hintergrund und in seiner Rolle als bildender Künstler (sowie als erfolgreicher Musiker) als ‚Agent of Culture‘, der individuelles und kollektives Gedächtnis vermittelt und von ästhetischen Faktoren befreien möchte. Die Farben des großformatigen Tableaus ‘Grandma’s fabric’ sind Teil dieser Einstellung, die sich farbenfroh ins Hier und Jetzt überträgt. Sie verweisen auf die bekannten Kente-Stoffe, die über die Grenzen Westafrika’s hinaus bekannt sind und lokale Textilproduktion in den Kontext globaler Lieferketten stellen. Gleichzeitig ist die Zusammensetzung aus Acrylfarben und Holz eine persönliche Hommage an die rauhe Haut seiner Großmutter, an die sich der Künstler als kleiner Junge erinnert. 

 

Dieser Rückbesinnung zur Natur und seinen Anfängen folgend, arbeitet Selassie vermehrt mit organischen Materialien und wird im Rahmen der Ausstellung eine raum-greifende Skulptur aus Moos und Vulkangestein präsentieren.

 

Diese Installation wird in Zusammenarbeit mit Elihu Ashong entstehen. Der ebenfalls aus Ghana stammende Künstler hat einen Background in Fotografie und floralem Set-Design. Im Jahr 2020 zog er nach Berlin und brachte seine Kenntnisse in seinen Beitrag zur Gruppenausstellung CONCRETE LIMBO im Haus der Statistik ein. Nachdem er zwei Jahre als kuratorischer Assistent für Ralf Schmerberg’s MaHalla arbeitete, bereitet er nun seine eigene künstlerische Plattform vor, die sich auf ganzheitliche Kunstproduktion zwischen den Kontinenten konzentriert. 

 

Geboren 1995 in Frankreich, arbeitet Exosé Kasongo ebenfalls interdisziplinär - sei es als Tänzer im Rahmen von musikalischen Performances auf der Bühne, in Video-Produktionen oder als visueller Künstler. Seit 2019 lebt Kasongo in Berlin und verleiht seiner Community in Berlin unter anderem durch eine Veranstaltungsreihe im Oyoun eine enorme Präsenz. In seinen Mixed-Media Collagen wählt er einen lauten, expressiven Stil, um Photographie, moderne Accessoires und Muscheln mit Malerei auf Papier zu bringen. Kasongo setzt dabei auf historischen Fotos auf und ergänzt sie um Street Culture Referenzen. Die koloniale Vergangenheit wird durch diese Codes umgeschrieben und so zu einer Forderung nach kultureller, künstlerischer und spiritueller Restitution. 

Die Zuschreibung einer Afrofuturistischen Ästhetik passt insofern, als dass seine Vision einer Panafrikanischer Kunst mit einer Rückbesinnung auf das Urvertrauen und die Werte seiner Ahnen einhergeht. “Mit der Zeit wird alles einen Sinn ergeben“, erklärt Kasongo mit Verweis auf seine künstlerische Richtung, die viel über seine Kongolesischen Wurzeln und den Kampf eines Schwarzen Mannes in einer weißen Gesellschaft erzählt.