Künstlerinnengespräch mit Barbara Stauss: 29 März, 19h
Seit bald zehn Jahren bereist Johanna-Maria Fritz als Fotografin die Welt. Ihre Motive findet die Berlinerin in Krisen, Konflikten, zerfallenden Staaten, bei verfolgten Minderheiten, an den Rändern der Gesellschaft. Weil sich dort, wo die meisten Menschen nie hinblicken, das Wahrhaftige manifestiert. „Dort erlebe ich Menschen, die von ihren eigenen Problemen absorbiert sind und nie gelernt haben, nach unseren Maßstäben zu posieren“, erklärt sie.
Fritz hat Porträts von Taliban-Männern in Teppiche weben lassen. Gefertigt von Mädchen, denen die Islamisten das Lernen und damit das Hoffen verbieten. Vermeintliche Heldenbilder, die tatsächlich die Unmenschlichkeit der Islamisten illustrieren.
Im Frühjahr 2022 war sie eine der ersten Fotojournalistinnen in der Ukraine, hat unter anderem in Butscha und dem Donbas fotografiert. Mit ihrer Arbeit aus dem Krieg tritt sie den Beweis an, dass journalistische Dokumentation hohen ästhetischen Ansprüchen genügen, dass Schönheit das Schreckliche sogar noch akzentuieren kann. Es sind moderne Ikonen.
Den neueren Werken werden in der Ausstellung zwei ältere Serien gegenübergestellt, die als langfristige Kunstprojekte entstanden sind. Fotos von „Hexen“ in Rumänien und Zirkusartistinnen in muslimisch geprägten Ländern. Motive wie Traumlandschaften voller Kontraste, dabei von einer intimen Nähe, die Johanna-Maria Fritz gerade in prekären Situationen aufzubauen im Stande ist.
Überfall auf Europa
Der Überfall Russlands auf die Ukraine folgte der Besetzung der Krim und der Destabilisierung des Donbas durch von Moskau gesteuerte sogenannte Separatisten acht Jahre zuvor. Kreml-Herrscher Wladimir Putin war durch schwache Sanktionen und neue Gasdeals ermutigt worden, noch weiterzugehen.
Die Gefahr durch Russlands neuen Imperialismus ist vielen Menschen hierzulande erst mit der Vollinvasion vom 24. Februar 2022 bewusst geworden: Moskaus Attacke auf das Nachbarland ist auch ein Überfall auf Europa.
Johanna-Maria Fritz hat bereits 2016 im Donbas und dem mittlerweile völlig zerstörten Mariupol fotografiert. Sie hat dort Menschen porträtiert, die unter den Folgen des Krieges litten und auch solche, die sich in dessen Schatten für eine Orientierung nach Westen engagierten.
Seit dem Frühjahr 2022 ist sie wieder mehrmals in die Ukraine gefahren, um für große deutsche und schweizerische Medien zu fotografieren (darunter DER SPIEGEL, Die Zeit, NZZ). Ihre Fotos aus Kyiv während der Belagerung, aus Butscha unmittelbar nach der Befreiung und aus Bahmut während der Schlacht um die Stadt sind erschütternde Zeugnisse der russischen Brutalität. Sie sollten als Warnung dienen, dass die Ukraine nicht erneut alleingelassen werden darf. „Wer einmal in die Gesichter der Menschen geblickt hat, die alles verloren haben, kann nicht mehr wegsehen“, hofft sie.
Text von Thore Schröder